Freitag, 23. November 2007

Zeitungsbericht vom "Oktobertriathlon"

Mir wird schwarz vor Augen. Verschwommen sehe ich den Weg vor mir. "Nicht gehen", funkt mein Gehirn. Doch ehe die Nachricht meine Beine erreicht, haben die es sich schon anders überlegt. Sekunden später schleppe ich mich über die Ziellinie. Und der süße Geschmack des Erfolges übertüncht endlich die brennenden Schmerzen in meinen Oberschenkeln.

Es ist punkt zehn Uhr, als ich an einem sonnigen Spätsommertag das Lehrschwimmbecken in Ergste erreiche. Noch kann ich nur erahnen, was die nächsten Stunden für mich bringen werden. "Der Weg ist das Ziel", sage ich mir. Mein Weg ist heute jedoch ausgesprochen lang. 51 Kilometer, um genau zu sein. Einen im Wasser, 40 mit dem Rad und zum Abschluss zehn zu Fuß. Was ich nicht weiß: Gut zweieinhalb Stunden später werde ich mich fragen; "Ein Triathlon - wie bist du auf die Schnapsidee gekommen?"

Mit einem Lächeln erwarten mich an der Halle die Triathleten Olaf Krüger, Arthur Woloszyn und Christoph Grobe. Ob es schelmische Vorfreude ist? Ob sie wissen, welche Qualen mir bevorstehen? Christoph ist erst seit einem halben Jahr ein Tripple Hippo. Da kann er mir doch gar nicht allzu viel voraus haben, mache ich mir Mut.

Zehn Minuten drauf, inzwischen in Badehose und Schwimmbrille geschlüpft, habe ich diese Hoffnung längst aufgegeben. Die erste von schon jetzt endlos erscheinenden 60 Bahnen liegt hinter mir, als Olaf und Christoph - man ist direkt beim "Du" - bereits am Ende der zweiten anschlagen. Die Atemtechnik beim Kraulen (nie gelernt!) macht mir schon jetzt zu schaffen. Nach der vierten habe ich das Gefühl zu ertrinken. Ich bekomme keine Luft. So früh kneifen wäre feige, sage ich mir, und steige auf den Bruststil um. "Das sieht schon besser aus als beim Kraulen", lacht Arthur, der mit einer Erkältung zum Zählen der absolvierten Bahnen "verdonnert" wurde. "Was ist denn das für ein Oma-Schwimmen?!", feixt hingegen Steffi Gutsche-Krüge, Olafs Frau, und ich erhöhe zumindest noch einmal die Schlagzahl. Ab der 40. Bahn beginne ich rückwärts zu zählen. Nur noch zwanzig, nur noch 15, noch zehn! Bald hast du es geschafft, denke ich mir, doch dann reißt mich erneut Steffi aus meinen Träumen: "Nur noch sieben", ruft sie ihrer Tochter zu. Als ich erfahre, dass die gerade acht Jahre alt ist, würde ich vor Scham am liebsten ertrinken.

Dann ist es endlich geschafft. Wie einen nassen Sandsack ziehe ich mich an den Beckenrand. Jetzt ausruhen - das wäre was Feines! Doch die drei Hippos, die eine beträchtliche Zeit auf mich haben warten müssen, kennen kein Pardon! Rauf aufs Fahrrad! "Wir fahren heute eine flache Strecke", schlägt Olaf Krüger vor. Flach - das hört sich gut an. Doch als ich am ersten - meine drei Kontrahenten würden sagen - "flachen" Anstieg auf den Tacho schaue, eine "1,5" vor dem "km" sehe und meine bleischweren Beine spüre, kann mir die Strecke nicht mehr flach genug sein. Es sieht so leicht aus, wie Olaf, Arthur und Christoph in die Pedale treten und ihre Kraft auf die dünnen Reifen übertragen. Mein Fahrstil auf dem dickreifigen Mountainbike (mit Gepäckträger!) gleicht hingegen eher dem Gestampfe eines Elefanten. Und meine Sportjacke ähnelt einem Fallschirm, anstatt der Aerodynamik zu dienen. Schon nach fünf Kilometern muss ich kämpfen, die erste kleine Lücke entsteht zwischen mir und den anderen. Was ich machen
kann, frage ich Arthur. Er rät mir, mehr den Windschatten meines Vordermannes zu nutzen. Das bringe sehr viel. Also fahre ich, auf die Zähne beißend, wieder heran und erinnere mich an das Kinderbuch "Momo". Dort erzählt Beppo, der Straßenkehrer, er denke nie an die ganze Straße, die er zu kehren habe, sondern immer nur an den nächsten Besenstrich. Mein nächster Besenstrich: Ein kurzer, knackiger Anstieg. Ich verliere wieder den Kontakt, gehe aus dem Sattel und verspüre Stiche im Oberschenkel. Da ist er, der erste Krampf. Ich hatte schon mit ihm gerechnet.

Nach 40 qualvollen Kilometern habe ich auch diese Disziplin geschafft. Es kann nur besser werden, sage ich mir. Laufen ist doch mein Ding! Anfangs geht in der Tat alles recht locker. Ich habe sogar die Puste für einen kurzen Plausch und möchte wissen, wie sich die Triathleten auf einen Wettkampf vorbereiten. "Ich esse ab Mittwoch Nudeln, wenn sonntags ein Triathlon ansteht", erzählt Olaf, während ich mich für meine Fast-Food-Sünde vom Vortag verfluche.

Dann ziehen die drei plötzlich das Tempo an. Seid ihr denn gar nicht k.o.? Ich versuche aufzuschließen, doch meine Beine gleichen schweren, unbeweglichen Betonklötzen. Mir wird schwindelig, als ich mich zum Weiterlaufen zwinge. Aufgeben? Pah! Doch ohne es zu merken, gehe ich plötzlich. "Aber über die Walker lachen!", verhöhne ich mich und laufe wieder zehn Meter. Und gehe fünf Meter. Laufe drei Meter. Und gehe 15 Meter. Dann habe ich das Ziel vor Augen. Endorphine pur, als ich ihm entgegenlaufe. Plötzlich tragen mich meine Beine wieder ohne Murren. So durchlaufe ich nach knapp drei Stunden das Ziel! Ich recke die Arme in den Himmel und lasse mich auf eine Bank plumpsen. Wo ist das Siegerpodest? Wo das Sauerstoffzelt? Der Weg ist das Ziel. So, so. Mein nächstes Ziel ist die Dusche. Und dann ein weiches Bett.

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